Das Geschenk der Beziehungsfähigkeit Ps 119,70

Ihr Herz ist völlig verstockt; ich aber habe Freude an deinem Gesetz. Psalm 119,70

„Igitt, ist das eklig!,“ sagte meine Frau, als ich ihr erklärte, wie der Vers im Original heißt. Da wird von einem verfetteten Herzen gesprochen. Schlachter übersetzt: Ihr Herz ist stumpf wie von Fett; ich aber vergnüge mich an deinem Gesetz. In der Lutherbibel 2017 steht: Träge wie Fett ist ihr Herz; ich aber habe Freude an deinem Gesetz. Das ist eine seltsame Formulierung. Wenn man jemanden fragt, „Sag Mal, hast du Bohnen in den Ohren?,“ dann weiß jeder, was gemeint ist: „Bist du schwerhörig?“ Wer Bohnen in den Ohren hat, der hört nicht gut. In diesem Vers geht um das Herz. Das Herz der Stolzen (V.69) ist fühllos wie Fett, heißt es in der Zürcher-Bibel. Das Herz war für die Israeliten der Ort des Verstandes und des Willens. Das Herz bezeichnet das Wesen des Menschen, das Innerste, was den Menschen ausmacht. Ein verstocktes oder verfettetes Herz ist ein abgestumpftes Herz. Heute würde man sagen: ein beziehungsunfähiger Mensch. Es gibt sie leider, beziehungsunfähige Menschen. Das steht hier. Vers 70 meint das fehlende Vermögen, in Beziehung zu Gott zu treten. Es kommt im Leben auf ein Herz an, das Gott kennt und sich an seinem Wort freut. Und wenn ich mir ein verfettetes Herz bildlich vorstelle, dann stimme ich meiner Frau zu. Das ist eklig. Das sollte nicht so sein. 

Nur in diesem Vers wird in Psalm 119 etwas über das Herz des Stolzen gesagt. Nur hier wird die verborgene Ursache für das Verhalten der Stolzen benannt. Ihre Herzen sind hart geworden heißt es in der Neues Leben Bibel. Das ist der Grund für die Feindseligkeit gegenüber dem Beter. Das ist der Grund für die Lügen, die sie über den Beter erdichten. Das Herz des Menschen kann taub und unempfindlich sein für Gott. Der Beter hat eine Erklärung dafür, warum die Stolzen so sind wie sie sind. Es liegt an ihrem Herzen. Es liegt an ihrer gestörten Beziehung zu Gott, am nicht hören können und wollen. Menschen mit verstocktem Herzen stören sich an Menschen, die sich an Gott freuen. Es gibt bei Menschen also zwei mögliche Herzenszustände: geistlich verhärtet oder geistlich lebendig und in Beziehung zu Gott. In Vers 69 sagt der Beter, Die Stolzen erdichten Lügen über mich, ich aber halte von ganzem Herzen deine Befehle. Da ist einer, der von ganzem Herzen nach Gott und seinem Willen fragt. Da ist einer, dem Gott wichtig ist. Angelus Silesius sagte: „Es kann in Ewigkeit kein Ton so lieblich sein, als wenn des Menschen Herz mit Gott stimmt überein.“ In Vers 70 geht es dann um das andere Herz. Da heißt es dann, Abgestumpft und satt ist ihr Herz, … (EÜ) Auch so sind Menschen: abgestumpft und satt. 

Wie hat der Beter diesen Satz wohl gesagt? Wie hört er sich an, wenn er das sagt, Das Herz dieser Leute ist abgestumpft, ich aber habe große Freude an deinem Gesetz.? (Neue Genfer Übersetzung) Wie würde Jesus diese Wahrheit aussprechen? Es ist gut möglich, dass man diesen Vers sowohl traurig hört als auch dankbar. Es ist traurig, wenn das Herz eines Menschen abgestumpft ist für Gott. Und es ist ein unermesslich großes Vorrecht, eine Beziehung zu Gott zu haben, ein neues Herz zu haben, Freude an der Bibel zu haben. Diese Freude an Gott und seinem Wort bewährt sich in Krisen und in Konflikten mit Menschen, die Gott nicht kennen. Diese Freude versteht nur, wer Gott persönlich kennt und liebt. Dass ein Mensch Gott hört und ernst nimmt, ist viel wichtiger als alles andere. 

Der Beter weiß um die Gefährdung seines eigenen Herzens. Insgesamt 14 Mal erwähnt der Autor in Psalm 119 das eigene Herz. Er weiß, dass die Freude am Wort Gottes nicht selbstverständlich ist. In Vers 37 heißt es, Neige mein Herz zu deinen Mahnungen und nicht zur Habsucht. In Vers 80 bittet er: Mein Herz bleibe rechtschaffen in deinen Geboten, damit ich nicht zuschanden werde. In Ps 86,11 steht, Erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte. Wer Gott kennengelernt hat, versteht diesen Wunsch. Beziehungsfähigkeit erfordert Pflege. Ein Mensch, der von sich sagen kann, Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte… (Ps 73,28), weiß, wie kostbar diese Freude und das Vertrauen in Gott ist. In Sprüche 30,7-9 steht ein kurzes Gebet, dass die Sorge um ein hörendes und Gott liebendes Herz wunderbar ausdrückt:  Zweierlei bitte ich von dir, das wollest du mir nicht verweigern, ehe denn ich sterbe: Falschheit und Lüge lass ferne von mir sein; Armut und Reichtum gib mir nicht; lass mich aber mein Teil Speise dahinnehmen, das du mir beschieden hast. Ich könnte sonst, wenn ich zu satt würde, verleugnen und sagen: Wer ist der HERR? Oder wenn ich zu arm würde, könnte ich stehlen und mich an dem Namen meines Gottes vergreifen. Auch das ist Ausdruck von Reife, zu wissen, wozu man in der Lage ist. Ich könnte…

Ein abgestumpftes oder verstocktes Herz ist in Wahrheit das Los aller Menschen. Darum sagt Gott in Hesekiel 36,26, Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und wer ein neues Herz von Gott bekommen hat, wer durch Gottes Gnade neu geworden ist, der nimmt sich die Mahnung in Spr 4,23 zu Herzen: Mehr als alles, was man sonst bewahrt, behüte dein Herz! Denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens.

Ps 119,70 ist eine Einladung, Gott täglich zu danken und zu preisen für das neue Herz und das neue Leben mit Gott. Dieser Vers ist eine Einladung, für Menschen zu beten, die Gott noch nicht kennen und lieben. Und es ist eine Mahnung, sich die Freude an Gott zu bewahren. Das gelingt, indem man sich täglich Zeit nimmt für das Bibellesen und Gebet. Es gelingt, wenn man die Beziehung lebt. Es gelingt, indem man Freude hat, nach Gottes Wort zu leben. Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Täglich sinne ich ihm nach. Ps 119,97

2 Kommentare zu „Das Geschenk der Beziehungsfähigkeit Ps 119,70

  1. Angelus Silesius sagte: „Es kann in Ewigkeit kein Ton so lieblich sein, als wenn des Menschen Herz mit Gott stimmt überein.“
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    Nur wer hat ein solches Glück?
    Wem wurde diese Gnade zuteil, dass nicht die profanen Begierden dem Herzen einen Strich durch die Rechnung machen?
    Ich traue mich zu sagen, dass es selbst von Angelus Silesius nur Wunschträume waren, dass sein Herz in völligem Einklang mit Gottes Worten war.
    Dem Menschen ist diese Gnade, wenn überhaupt, nur im Stückwerk gnädig – und in den allermeisten Fällen auch erst kurz vorm Ende seines Lebens, wenn alles Profane seinen Reiz verlor.

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    1. Ich denke, viele Menschen haben so ein Glück. Den Satz von Silesius sollte man nüchtern sehen und nicht mehr hinein lesen, als er meint. Paulus sagt es so: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“ (Röm 5,1) Dieser Friede mit Gott ist ja real erfahrbar als etwas wundervolles, als Fundament, als innere Gewissheit. Gott als meinen Vater im Himmel zu kennen, sein Kind sein ist und bleibt das größte Geschenk meines Lebens. Es ist eine Glaubenserfahrung. Und eine innere Gewissheit. Das Profane ist auch da, aber es ist ja nicht durchweg böse oder schlecht. Wir dürfen das Profane genießen. Wir dürfen uns daran freuen. Gott meint es gut mit uns. „Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.“ 1. Tim 4,4

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