Du kannst stark sein Spr 24,10

Der ist nicht stark, der in der Not nicht fest ist. Spr 24,10

So übersetzt Luther. Krisen, Angst, Bedrängnis, Trübsal bringen es ans Licht, wie ein Mensch wirklich ist. Vielleicht mögen wir Krisen darum auch nicht gerne? Und doch hat Glaubwürdigkeit einen Preis. Sie ist nicht billig zu haben. Da trennt sich Spreu von Weizen. Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot. Woran liegt es, dass Menschen mehr versprechen als halten? Bin ich so einer? Ein Windbeutel? Auf wen ist wirklich Verlass? Die Krise bringt es ans Licht, auf wen ich mich verlassen kann.

Aber es gibt auch die anderen, die fest sind in der Not, sich nicht umpusten lassen, die sich nicht wegducken. Es gibt die, die ihr Wort halten, die sich treu sind. So lese ich Spr 27,10 mit anderen Augen, Von deinem Freund und deines Vaters Freund lass nicht ab. Es gibt nur wenige wirkliche Freunde, wenige sie sich als Freunde bewährt haben. Freundschaft bedeutet, verlässlich zum Freund zu stehen. Jesus hat sich als Freund bewährt.

Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie –, denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe.

Wer so einen Hirten sein nennt, der hat es gut.

Auf den guten Hirten ist Verlass.

Er ist bereit, sein Leben zu opfern. Für mich.

Er hat es getan. Er starb für mich und meine Schuld.

Auf Jesus kann ich mich verlassen! Er ist treu und verlässlich.

Jakob sagt, lasst uns aufbrechen und nach Bethel ziehen, dass ich dort einen Altar errichte dem Gott, der mich erhört hat zur Zeit meiner Trübsal und mit mir gewesen ist auf dem Wege, den ich gezogen bin. (1 Mo 35,3)

Hier kommt zum ersten Mal das gleiche hebr. Wort vor, mit Trübsal übersetzt. In der Trübsal hat Gott Jakob erhört und ihm geholfen. Jakob hat erlebt, dass er sich in der Trübsal, in der Not auf Gott verlassen kann. Das hat er all die Jahre nicht vergessen. Dazu gehört ja auch die unschöne Wahrheit, dass Jakob seine Trübsal selbst verschuldet hat durch Arglist, Lügen und Betrug am Vater und am Bruder. Und doch hat Gott ihm geholfen.

Die Brüder von Josef sagten, Das haben wir an unserem Bruder verschuldet! Denn wir sahen die Angst seiner Seele, als er uns anflehte, und wir wollten ihn nicht erhören; darum kommt nun diese Trübsal über uns. 1 Mose 42,21

Hier wird das hebr. Wort mit Angst übersetzt. Man kann Angst, Not der Seele sehen. Und die Brüder wollten ihm nicht helfen. Wo immer dies hebr. Wort gebraucht wird, braucht ein Mensch einen, der ihm hilft. So auch in Ps 138, Wenn ich mitten in der Angst wandle, so erquickest du mich und reckst deine Hand gegen den Zorn meiner Feinde und hilfst mir mit deiner Rechten.

Not lehrt beten. Not lehrt, Freunde nötig zu haben und ein Freund zu sein.

Und Not lehrt, Gott nötig haben.

Stark ist, wer in der Not gestärkt wird.

Ein starker Held (Jer 20,11)

Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. Sie müssen ganz zuschanden werden, weil es ihnen nicht gelingt. Ewig wird ihre Schande sein und nie vergessen werden. Jer 20,11

Im Jahr 1988 kam der Film „Der Bär (L’Ours)“ in die Kinos. Es gibt eine mir unvergessliche Szene in dem Film. Ganz am Anfang stirbt die Bärenmutter eines kleinen Bärenwelpen durch einen Steinschlag, während sie dabei war, eine Honigquelle auszuschöpfen. Das verwaiste Bärenjunge Youk zieht allein und hilflos durch die Wildnis Kanadas. Dabei trifft der kleine Bär auf eine ganze Reihe tierischer Wegbegleiter, vom Frosch bis zum Bienenschwarm. Als er den ausgewachsenen Kodiakbären Kaar kennenlernt, hat Youk endlich einen Freund und Beschützer gefunden. Youk hängt sich an den riesigen, ausgewachsenen Kodiakbären, der ihn schließlich duldet, nachdem Youk ihm eine Streifschusswunde ausleckte. Dann, ganz allein, gerät dieser unerfahrene, kleine Bär auf einem seiner Streifzüge in große Not. Ein Berglöwe erspäht ihn und denkt sich: leichte Beute. Der kleine Bär rennt und stolpert um sein Leben. Er quiekt in Verzweiflung und kann sich auf eine Landzunge auf der anderen Seite eines Flusses retten. Doch mit einem Satz ist der Berglöwe bei ihm. Der kleine Bär beginnt einen verzweifelten, ungleichen und hoffnungslosen Kampf. Der Berglöwe hat leichtes Spiel mit ihm. Mit blutender Nase kämpft der kleine Bär weiter, jault und quiekt und versucht sein Leben zu retten. Es ist ein ungleicher Kampf und nur eine Frage der Zeit bis Youk sterben wird. Seine Lage ist aussichtslos. Doch plötzlich weicht der Berglöwe zurück, Schritt für Schritt. Die Wende scheint ganz unerklärlich. Warum gibt der Berglöwe auf? Er ist eindeutig der Stärkere. Und der kleine Bär faucht und kämpft noch immer, jetzt siegessicher und selbstbewusst mit blutender Nase. Und dann klärt sich das Rätsel auf, als sich die Kamera vom kleinen Bären weghebt! Hinter ihm steht sein großer Freund auf seinen Hinterbeinen. Nur eine Prankenbewegung von ihm genügt, um den Berglöwen in die Flucht zu schlagen. Trotz der Nachteile durch seine kleine Kraft, war Youk dennoch im Vorteil. Auf den ersten Blick weit unterlegen, war er dennoch der Sieger in dem ungleichen Kampf. Es kommt eben darauf an, wer hinter mir steht. Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held…

Helden sind oft da, wo Menschen in Gefahr sind oder in einer ernsten Krise. „Wer mir einen Helden zeigt, dem zeige ich eine Tragödie.“ (Scott Fitzgerald) Ein Held rettet Menschen aus einer Tragik. Und Tragik kennt Jeremia aus leidvoller Erfahrung gut. Er will nicht mehr und kann nicht mehr. Über dem Abschnitt steht: von der Last des Prophetenamts (Jeremia 20,7ff).

HERR, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich. V.7

Diese Verse gehören zu den ergreifendsten des ganzen Buches,“ schreibt Hans Bruns. Jeremia ist authentisch und schonungslos ehrlich mit sich. Der Prophet Gottes steckt in einer sehr ernsten Krise. Sein ganzer Dienst erscheint ihm sinnlos. Er ist ein einsamer, enttäuschter und überforderter Mann. Verspottet, verlacht, erfolglos. Was für ein Los! Mit wenigen Versen offenbart Jeremia sein Innerstes. Erst wenn ich die Last und Not dieses Mannes erfasse oder erahne, kann ich Vers 11 verstehen. Erst wenn ich die Last von Vers 7 wirklich verstanden habe, kann ich die Befreiung von Vers 11 verstehen. Beides gehört zusammen wie Verlorensein und Gerettetsein.

Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held In Jeremias großer Krise als Prophet Gottes steht auch dieser starke Vers. Plötzlich und unerwartet steht der Vers da. Denn das, was Jeremia erlebt, was er erleidet und mit eigenen Augen sieht, ist eben nicht alles. Der Blick in die unsichtbare Welt schenkt Jeremia eine neue, andere Sicht für die sichtbare Welt. Darum ging es Jesus als er sagte, Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater Wohlgefallen, euch das Reich zu geben. Lk l2,32

Der Blick auf Gott erlöst ihn von Verzagtheit und Furcht. Dieser eine Blick genügt. Von Klaus Seibold kommt der Ausspruch, „Die wahren Helden findet man im Alltag. Man muss sie nur sehen wollen.“ Man muss Gott sehen wollen, wer er ist. Und man muss Ihn sehen können. Das Lied „Jesus, wir sehen auf dich“ ist eins von vielen Liedern, die mir als Sehhilfe dienen. Auch darum sind Lieder des Glaubens so wichtig. Das gute alte Liederbuch ist der Optikerladen der Christen. Leider verlegen wir unsere Brillen immer wieder.

Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held … Mit diesem Wissen, dass Gott an seiner Seite ist, bleibt Jeremia seinem Auftrag treu und trotzt seinen Feinden, seinen scheinbaren Niederlagen und Problemen. Im Trotzen zeigt sich die Kraft des Glaubens. Jeremia macht sich selbst Mut mit diesem Bekenntnis. Und Mut braucht er. Oder macht Gott ihm Mut, indem er Jeremia erinnert: Ich bin für dich da? Jeremia erinnert sich selbst an die rückenstärkende Wahrheit. Er spricht sich das befreiende und Hoffnungmachende Wort selbst zu. Der Gott, dem er dient und der ihn berufen hat, ist sein starker Held. Und dieser starke Held ist bei ihm, mit ihm, für ihn. In der Zürcher Bibel steht furchtbarer Held. Der mit „Held“ übersetzte Begriff wird im Alten Testament sonst nur negativ verwendet für Tyrannen, Unterdrücker, Despoten, und Gewalttätige (Hiob 6,23; Jer 15,21). Zugrunde liegt dem Begriff das Bild von einem, der große Macht hat, die bei Menschen Furcht und Erschrecken bewirkt. In Jes 2,19+21 ist es Gott, der durch sein Gerichtshandeln seine große Macht zeigt und damit Menschen ihre Grenzen: Da wird man in die Höhlen der Felsen gehen und in die Klüfte der Erde vor dem Schrecken des HERRN und vor seiner herrlichen Majestät, wenn er sich aufmachen wird, zu schrecken die Erde.

Für Jeremia bedeutet sein Glaube an diesen Gott, der ihn beauftragt und gesandt hat, vor allem Trost und Stärkung. Gott so zu kennen gibt ihm Halt und Kraft, die er in seiner Situation dringend nötig hat. Aus dem Glauben haben Menschen schon immer Kraft gezogen, auch Kraft über sich selbst hinaus zu wachsen.

Wolfgang Thierse schreibt, „… Aus der Überzeugung von der Geschöpflichkeit von Natur und Mensch, von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen folgert eine radikale Vorstellung von der gleichen Würde jedes Menschen, gerade auch der Armen und Behinderten, der Unterdrückten und Gescheiterten und Leidenden – und daraus folgert der Widerspruch gegen Verhältnisse, die Menschen erniedrigen und in Unfreiheit zwingen. (…) Dieser spezifische Freiheitssinn ist der eigentliche und tiefe Ur-Grund für den Widerstand von Christen, von religiösen Menschen gegen autoritäre Regime und Diktaturen (egal ob sie sich eines religiösen oder anti-religiösen Überbaus bedienen): Das gilt für den christlichen Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft, man denke an Dietrich Bonhoeffer, Alfred Delp, Helmuth James von Moltke, die Geschwister Scholl.“ (www.feinschwarz.net/glaube-und-widerstand/#more-25364

Jeremia sagt sich selbst die befreiende Botschaft. Das ist das helfende Wort. Er stand als Prophet einsam und verspottet da. Er war aller Welts Feind, aber Gottes Freund. Niemand nahm ihn ernst, niemand legte Wert auf seinen Dienst. Aber mit dem Wissen, Gott an seiner Seite zu haben und hinter sich zu haben, konnte er den Menschen weiter Gottes Wort sagen. Und das tat er. Das ist gelebter Glaube. Das ist Angst und Zweifel überwindender Glaube. Das ist trotziger Glaube. David hat es so gesagt, Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. (Ps 23,4) Ob es ein Shitstorm ist, eine Krankheit, das Sterben oder irgendeine andere ernste Krise – auch für mich bleibt dieser Halt und das Wissen, Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held. Paul Gerhard hat es wunderbar gedichtet,

Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich,
so oft ich ruf und bete weicht alles hinter sich.
Hab ich das Haupt zum Freunde und bin geliebt bei Gott,
was kann mir tun der Feinde und Widersacher Rott.

Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held.

Amen!

Eine sinnlose Berufung? Jer 20

aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich
Jer 20,7

Der große Prophet Jeremia wird von allen verlacht.

Er ist zu einer Witzfigur geworden.

Der Mann Gottes ist eine Lachnummer.

Niemand nimmt ihn ernst.

Wie ist das, wenn alle über mich lachen?

Wie ist das, wenn niemand mich ernst nimmt?

Da bin ich als verurteilter Straftäter besser dran.

Ich stell es mir bildlich vor, wie sie grinsen, lachen, kichern,

die Augenbrauen hochziehen, sich wissend angucken, wenn er predigt.

Ach der wieder… (schmunzel). Jeremia… LOL LOL.

Der will Prophet sein, ich lach mich weg… hahaha

Was für ein Los!

Welchen Sinn hat ein weiterer Dienst da noch?

Seine göttliche Berufung weiter zu leben ist angesichts dieser Situation sinnlos.

Sollte ein Prophet in einer solchen Situation nicht aufhören, Prophet zu sein?

Ich kann gut verstehen, dass Jeremia nicht mehr Prophet sein wollte.

Wer hätte das schon gewollt, die Lachnummer der Nation zu sein?

Ich verstehe, warum er unter seinem Los litt.

Aber er blieb Prophet.

Er konnte nicht aufhören, Prophet zu sein.

Seine Berufung von Gott blieb bestehen, so sinnlos es uns erscheint.

Denn über die Berufung entscheiden nicht Menschen mit ihren Reaktionen,

sondern allein Gott.

Gott gebrauchte Jeremia.

Die Welt braucht Menschen, wie Jeremia.

Und sie braucht Jesus von Nazareth,

der sich verhaften, schlagen, bespucken und kreuzigen lässt.

So total sinnlos.

Und doch total sinnvoll.

Die Last der Berufung von Gott Jer 20

Herr, du hast mich überredet, und ich habe mich überreden lassen. Jeremia 20,7

Er hat nicht gewusst, worauf er sich einlässt. Wie konnte er auch? Dass es nicht einfach sein wird, hat er geahnt. Erst wollte er nicht Gottes Prophet sein.  Er sagte Nein zu Gott.

Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung. 1,6

Nun ist er in der Krise. Und was für einer! Jeremia kann nicht mehr. Er gibt Gott die Schuld daran. „Gott, du hast mich verführt! Du hast meine Naivität ausgenutzt. Du warst nicht ehrlich zu mir! Du hast mich getäuscht! Und ich habe mich von dir täuschen lassen!“ Jeremia ist böse auf Gott. Der hatte ihm das alles eingebrockt.

Die Last des Prophetenamts ist auch die Last der Nachfolge Jesu. Christen kommen wie Jeremia auch irgendwann in ähnliche Krisen. Die Last des Prophetenamts ist auch die Last der Ehe und der Eltern. Wer weiß schon, was Christsein bedeutet, was Ehe bedeutet, was Elternsein bedeutet? All das bringt uns an unsere Grenzen. All das bringt irgendwann schmerzhafte Enttäuschungen. Es bringt Ernüchterung und Krisen. Weil wir wie Jeremia Menschen sind. Nein, ich habe mich nie bei Gott beklagt, dass er mich zu seinem Kind gemacht hat. Ich habe es nie bereut, Christ geworden zu sein. Aber ich stelle fest, dass ich es ohne das Verwurzeltsein in Gott und seinem Wort nicht geschafft hätte. Und ich stelle fest, dass ich in manchem keinen Sinn sehe.

Jeremia klagt Gott seine Not, klagt ihn an, macht Gott Vorwürfe, schüttet vor Gott sein Herz aus, spricht ungefiltert aus, was ihn belastet, überfordert, ärgert, frustriert. Gott hält das aus. Manchmal ist es heilsam und notwendig, genau das zu tun. Beten und klagen.

Und dann geht Jeremia seinen Weg weiter als Prophet. Er bleibt seinem Gott treu. Er leidet weiter. Und er sagt, was gesagt werden soll. Er dient seinem Volk, das diesen Dienst nicht will. Er dient den Völkern, weil Gott es so will.

„Gott, ich danke dir für Jeremia. Ich danke dir für die Propheten, die in deinem Namen geredet haben. Ich danke dir für Jesus. Und für die Männer und Frauen, die dir treu dienen und dir treu geblieben sind und einen Preis dafür bezahlt haben.

Danke, dass wir auch klagen dürfen. Und dass du uns hilfst, den Weg weiter zu gehen.

Amen!“